Ein Studium in Norwegen beschert viele unvergessliche Naturerlebnisse – und natürlich jede Menge Möglichkeiten zum Kajaken. Patrick Vetter verbrachte ein halbes Jahr in Oslo. Die ersten zwei Sommerwochen nutzte er ausgiebig im Boot.
Durch eine enge durchfahrt mit Drei-Meter-Drop. Oder über eine lange Rutsche einmal um die Kurve. Diese zwei Möglichkeiten eröffnen sich jedem Paddler, wenn er an der kleinen Insel angelangt, die die Rauma kurz vor einer ihrer imposantesten Wildwasserstellen teilt. Egal auf welche Anfahrt die Wahl fällt, der folgende Wasserfall „Little Huka“ ist purer Genuss. Ein Highlight auf einem Abschnitt der Highlights. Doch bis diese gefächerte 6-Meter-Stufe erreicht war, war es ein Weg mit vielen Ungewissheiten.
Schon vor der Reise und bis zur Abfahrt ins Land der Wikinger, nach Norwegen, war vieles im Unklaren: Was macht die Coronasituation? Wer ist dabei? Welche Flüsse sollten wir uns vornehmen und auf welche Pegel verlassen? Entsprechend vorsichtig verliefen auch die ersten Tage. Nachdem der VW-Bus von der Fähre gerollt war, verging ein ganzer Tag ohne eine Minute im Kajak. An Tag zwei ging es an die Urula: Die Grundgesteinsrutschen reihen sich hier wie Perlen an einer Kette aneinander. Perlen, die mit zu wenig Wasser allerdings alle etwas dreckig, schleifend und scharfkantig waren. Nach einer Befahrung, die vor allem die Schulter beim Umtragen belastete, machten wir uns auf ins Sjoa-Tal. Zugegeben etwas resigniert. Doch die Handy-App lockte mit sicheren Wasserständen und außerdem kannten wir viele Videos von dem Norwegen-Klassiker Sjoa.
Schon auf der Anfahrt wurde unsere Entscheidung belohnt: Weite offene Hochebenen erheben sich aus dem Wald, der die südliche Küste beherrscht. Der Westen des Landes rechtfertigt die vielen Geschichten von Trollen und Riesen in den Bergen, die noch heute überall im Land erzählt werden. Die flechtenbewachsene Mondlandschaft wird immer wieder nur von schroffen hohen Felsspitzen unterbrochen – und von Schafen und Renntieren hier und da. Die Sjoa war dann der perfekte Fluss, um sich an norwegische Gewässer zu gewöhnen und andere Paddler zu treffen. Mit einer erfahrenen Truppe konnten wir noch einige neue Flüsse kennenlernen. Neben der Rauma ist auch die Valldøla jedem Kajakreisenden zu empfehlen. Rutschen, Fälle und wuchtige Niederklammen machen das Land aus. Oft direkt ins Grundgestein geschliffen und damit fairer als verblockte Alpenbäche.
Nach zwei Wochen im Wildwasserparadies mit Sonne und IV-er und V-er Bächen fehlten uns trotzdem noch die berühmten Flüsse rund um Voss. Die Stadt aus zahlreichen Kajakdokus und -filmen lag trocken. Einige Wochen später lies der Herbstregen die Raundalselvi aber nochmal anschwellen und die Befahrung gelang an einem Wochenende. Das Wasser kam gleich so reichlich, dass wir viele der berüchtigten Siphone im Marine-Canyon unter dem Wasser gar nicht zu Gesicht bekamen. Neben dem grandiosem Wildwasser haftet den Tälern in Norwegens Bergen etwas wildes und rohes an. Die Abende im Sommer sind lang. Das Leben unterwegs mit Kajak ist sowieso gut und mit Blaubeeren überall, wo man hin tritt sogar noch besser. Das war bestimmt nicht der letzte Besuch.