Durch die Fluten auf das Treppchen

Stefan Finsinger vom Faltbootclub Heidenheim wurde beim Extrem-Wildwasser-Rennen in Meran Europameister in seiner Altersklasse.

Meterhohe Wasserfälle, wuchtige Bäche und tiefe Klammen mit senkrecht abfallenden Wänden: So sieht normalerweise ein Abenteuerspielplatz für die Wildwasserpaddler des Faltbootclubs Heidenheim aus. Seine Federn verdient sich ein Wildwasserkanute nicht mit Bestzeiten, sondern mit sicher befahrenen Flüssen und Geschichten von Nächten neben dem Bach. Trotzdem gibt es auch in diesem Bereich des Kanusports jedes Jahr Wettkämpfe. Am Samstag, 8. Juni, fand schon im sechsten Jahr in Folge das „King-of-the-Alps“-Event, die Europameisterschaft der Extremwildwasserpaddler, auf der Passer in Italien statt.

An der Wellerbrückenstrecke trainierte Stefan unter anderem für die Europameisterschaft. Foto: Patrick Vetter

Der 40-jährige Stefan Finsinger vom Faltbootclub Heidenheim holte den Titel in seiner Klasse und darf sich nun Europameister der Ü-40-Paddler nennen. „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung. Mit meiner Zeit wäre ich auch fast ins Finale des Hauptrennens gekommen“, bilanziert er das Wochenende bei Meran.

Seit Jahren befährt er in verschiedenen Expeditionen die anspruchsvollsten Wildwasserbäche auf der ganzen Welt vom Sambesi in Sambia über erstbefahrene Wasserfälle in Island bis zu den Reinfällen bei Schaffhausen. Oft lebt er tagelang nur von dem, was in sein 2,5 Meter langes Kajak passt. „Das sind ganz andere Belastungen. Auf alpinem Wildwasser begleitet einen immer der Gedanke daran, was alles schiefgehen kann. Bei einem Rennen geht es einfach nur darum, sein Können unter Vollbelastung abzurufen“, erklärt Finsinger den Unterschied.

Beim Rennen erwacht der Ehrgeiz

Auch die Atmosphäre verändere sich dadurch. Normalerweise gebe es unter Paddlern keinen Leistungsvergleich, zumindest nicht, was die Geschwindigkeit auf einem Fluss angeht. Während eines Rennens erwache aber trotzdem bei jedem Teilnehmer der Ehrgeiz.

Der Europameistertitel der Herren über 40 Jahre wird auf einem sieben Kilometer langen Abschnitt der Passer im IV. Schwierigkeitsgrad ausgetragen. Immer 50 Teilnehmer starteten dieses Jahr in einem Massenstart und mussten sich bis zur Ziellinie im „Boatercross“ beweisen. Dabei ist es erlaubt, die anderen Teilnehmer zu rammen oder abzudrängen. „Ich habe schon vor dem eigentlichen Start das erste Paddel ins Gesicht bekommen“, erzählt Finsinger. Bis zur Ziellinie müssen alle Starter hinter einem Paddler in Warnweste bleiben. Ab dem Start überholen sie ihn und das Rennen beginnt.

Auch wuchtige Stufen sind kein Problem.

Dass Finsinger tatsächlich den Meistertitel geholt hatte, war zunächst gar nicht klar. Da die verschiedenen Altersklassen gemeinsam starteten, mussten alle auf die Siegerehrung warten. Am Abend stand der Heidenheimer dann zunächst auf Platz zwei auf dem Treppchen. „Der erste Platz war aber gar nicht in meiner Altersklasse. Am nächsten Tag habe ich dann noch die Medaille für den ersten Platz bekommen“, sagt der Heidenheimer Physiotherapeut.

Konkurrenz der besten Paddler

Der älteren Herrenklasse blieb ein zweites Finalrennen erspart. Die besten Paddler des Hauptrennens mussten sich alle einzeln noch mal auf einem anderen, noch anspruchsvolleren Abschnitt der Passer im Schwierigkeitsgrad V–VI behaupten. Unter den Teilnehmern waren professionelle Extremkajakfahrer wie Bren Orten, Adrian Mattern oder Nouria Newman bei den Frauen.

„Das Rennen wird jedes Jahr von einem kleinen Team organisiert. Der Aufwand ist vergleichbar mit größeren Jugendfußballturnieren, die jedes Wochenende stattfinden“, ist Finsinger beeindruckt von der Gruppe, die hinter der Europameisterschaft und „King of the Alps“ steckt. Außer den eigentlichen Rennläufen bestehe das Event aus der Siegerehrung, einer Party am Abend und verschiedenen Programmpunkten über den Tag.

Der Europameister kleidet sich in sein Paddlergewand.

„Ich bin jetzt einfach nur froh, dass sich das ganze Training ausgezahlt hat“, freut sich der Paddler des Faltbootclubs über seinen Erfolg. Erst in den vergangenen Jahren habe er begonnen, sich wirklich auf Rennen auf Zeit vorzubereiten. Seit einem Jahr trainiert er mit einer kleinen Gruppe des Heidenheimer Vereins intensiv. „Auf der Brenz haben wir Konditionstraining gemacht – mehrmals in der Woche und auch im Winter. Die Technik kann man jedoch nur im Wildwasser lernen“, gibt er einen Einblick in die Trainingsroutine. Auch auf Bächen mit viel Gefälle sammelte Finsinger in den vergangenen Jahren und auch seit dem Sommer 2018 viel Routine. Neben zwei Wochen in Island befuhr er gemeinsam mit Kanuten des Faltbootclubs viele Bäche in den Alpen. Die Ötztaler Ache, bis 2017 Austragungsort der Weltmeisterschaft, nutzte er dabei oft von Freitag bis Samstag als Trainingsgelände.

Drei Koutniks bei „King of the Alps“:
Weitere Heidenheimer EM-Teilnehmer

Drei weitere Kanuten des Faltbootclubs nahmen an „King of the Alps“ teil. Die Brüder Martin Koutnik und Jiri Koutnik jr. sowie ihr Vater Jiri Koutnik sr. waren für das Hauptrennen gemeldet. Martin Koutnik konnte mit einer Zeit von 27:08 Minuten den 55. Platz belegen sein Bruder kam mit einer Zeit von 28:51 Minuten auf Platz 75. Jiri Koutnik sr. kenterte während des Rennens und schied aus der Wertung aus.